Bundestagsanfrage zu Medizinprodukten

Am 14. August 2014 stellte die Bundestagsfraktion von ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Kleine Anfrage an die Bunderegierung zur Sicherheit von Medizinprodukten in Deutschland (Drucksache 18/2359). Unter anderem wird Auskunft verlangt, weshalb die Haftungsregelungen bei fehlerhaften Medizinprodukten – im Vergleich zum Arzneimittelrecht – , wenig patientengerecht seien.

So läge bei Medizinprodukten die Beweislast sowohl für den Produktfehler als auch für den daraus resultierenden Schaden grundsätzlich bei den Patientinnen und Patienten. Das Arzneimittelrecht sehe dagegen eine Beweiserleichterung und Auskunftsrechte gegenüber den Herstellern vor (Drucksache 18/2359, S.2).

Lange Mängelliste bei Patientenrechten

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bemängelt weiter, dass

  • der Bereich Medizinprodukte durch eine hohe Zahl an Produkten, eine große Heterogenität und kurze Lebenszyklen einer Großzahl von Produkten geprägt sei.
  • eine sehr lückenhafte Datenlage bei Medizinprodukten existiere.
  • die nationalen und europaweiten Medizinprodukte-Informationssysteme (DIMDI und EUDAMED) nur den Regulierungsbehörden und nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stünden.
  • die Hersteller aus dem Pool von Benannten Stellen frei wählen könnten, was wegen entsprechender Kundenbeziehungen die Gefahr berge, dass wirtschaftliche Erwägungen zulasten der Sicherheit der Medizinprodukte eine Rolle spielen könnten.
  • bei klinischen Prüfungen zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Sicherheit Mindestanforderungen fehlen würden (Vollständigkeit der Daten, Studiendesign, zu analysierende Endpunkte und Beobachtungsdauern).
  • anders als bei Arzneimitteln eine „explizite Forderung nach einem Wirksamkeits- oder Nutzennachweis“ fehlen würde.
  • dass sich das Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem (zentrale Erfassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) ausschließlich auf schwerwiegende Ereignisse und nicht auf Verdachtsfälle aller Schweregrade beziehe.
  • bei Medizinprodukten die Beweislast sowohl für den Produktfehler als auch für den daraus resultierenden Schaden grundsätzlich bei den Patientinnen und Patienten liege.
Konsequenzen von der Bundesregierung gefordert

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte von der Bundesregierung unter anderem wissen,

  • welche Schlussfolgerungen die Bundesregierung aus der Einschätzung des Sachverständigenrates zieht, dass sich bei der Zulassung und klinischen Bewertung von Medizinprodukten insbesondere die folgenden Reformmaßnahmen anbieten:
    a)europaweite zentrale und unabhängige Zulassung mindestens von Medizinprodukten der Klassen IIb und III (in Anlehnung an die Zulassung von Arzneimitteln),
    b)Ansiedlung dieser Zulassungsstelle bei der European Medicines Agency (EMA),
    c)Errichtung zentraler und unabhängiger Stellen auf nationaler Ebene für die Bewertung der Zulassungsanträge,
    d)Marktzugang nur beim Beleg der klinischen Wirksamkeit sowie der Untersuchung möglicher unerwünschter Wirkungen,
    e)Erbringung der Nachweise mit randomisiert kontrollierten Studien für klar eingegrenzte Indikationen mit patientenrelevanten Endpunkten,
    f)Einsatz in der identischen Indikation als Voraussetzung für reduzierte Anforderungen bei Nachahmerprodukten,
    g)Registrierung aller klinischen Studien in einem öffentlich zugänglichen Register sowie Veröffentlichung der Ergebnisse nach klar definierten Standards.
  • ob die Bundesregierung, diese sieben genannten Aspekte bei der laufenden Überarbeitung der EU-Medizinprodukterichtlinien einzubringen plant.
  • Falls nein, wie sie dies begründet.
    2.Wie begründet die Bundesregierung ihre bisherige, von den Vorschlägen des Sachverständigenrates abweichende Verhandlungsposition bei der Überarbeitung der EU-Medizinprodukterichtlinien?
    Marktbeobachtung (Nr. 66)
  • ob die Bundesregierung plant, den Vorschlag des Sachverständigenrates, eine nach festgelegten Standards vorgesehene regelmäßige Sicherheits- und Qualitätskontrolle der Produktion und Anwendung von Medizinprodukten einzuführen, aufzugreifen und in der EU einzubringen.
  • ob die Bundesregierung plant, den Vorschlag eines verpflichtenden einheitlichen europäischen Systems der Produktkennzeichnung von Medizinprodukten aufzugreifen und in der EU einzubringen.
  • ob die Bundesregierung plant, den Vorschlag, zur Identifizierung aller Patientinnen und Patienten ein EU-weites zentrales Medizinprodukteregister vorzusehen, aufzugreifen und in der EU einzubringen.
Haftung der Medizinproduktehersteller verschärfen

Zum Thema Haftung der Hersteller möchte die Fraktion wissen,

  • welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dem Vorschlag des Sachverständigenrates zieht, im Interesse der Patientinnen und Patienten von Medizinprodukteherstellern eine Deckungsvorsorge (z. B. obligatorische Haftpflichtversicherung) zu fordern.
  • ob die Bundesregierung plant, sich für eine solche Deckungsvorsorge in der EU einzusetzen.
  • ob die Bundesregierung, falls sich eine solche Deckungsvorsorge in der EU nicht realisieren lässt, hierfür eine nationale Regelung vorzuschlagen plant.

Zur besseren Transparenz möchte die Fraktion wissen

  • welche Aktivitäten die Bundesregierung plant, um die vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Bereitstellung einer frei zugänglichen und einfach recherchierbaren Plattform aller Medizinprodukte (unabhängig von ihrer Risikoklasse) mit entsprechenden Informationen zur Inverkehrbringung bzw. Zulassung sowie zu Vorkommnissen und Bewertungen umzusetzen.
  • ob die Bundesregierung plant, den Vorschlag des Sachverständigenrates aufzugreifen, dass Medizinprodukte der Risikoklassen IIb und III bzw. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, bei denen solche Medizinprodukte eingesetzt werden, mit dem Ziel der vorrangig zu gewährleistenden Patientensicherheit einen indikationsspezifischen gesundheitlichen Nutzen nachgewiesen haben müssen.
  • Falls ja, wann die Bundesregierung plant, dem Bundestag entsprechende gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Falls nein, warum nicht.
Antwort der Bundesregierung enttäuschend

In der Antwort drückt sich die Bundesregierung wieder einmal vor einer klaren Positionierung für mehr Patientensicherheit. Die Interessen der Hersteller und deren wirtschaftlichen Interessen scheinen nach wie vor zu dominieren. Vor allem will die Bundesregierung an dem nachweislich untauglichen System der „Benannten Stellen“ zur Vergabe des CE-Kennzeichens festhalten zu wollen. Auch die Einführung eines Qualitätssiegels bei Medizinprodukten ist für die Bundesregierung kein Thema. In ihrer Antwort schreibt die Bundesregierung:

Zusammenfassend ist zu Frage 1 Folgendes festzuhalten:
Ein Systemwechsel wäre sehr zeit- und bürokratieaufwendig und würde allein nicht zu einer messbaren Verbesserung der Patientensicherheit führen. Erkannte Probleme müssen und können aus Sicht der Bundesregierung innerhalb des bestehenden Systems gelöst werden. Hierzu sind – wie zum Teil bereits ausgeführt – Anpassungen insbesondere in folgenden drei Bereichen notwendig:

  • Strengere Anforderungen an die Benannten Stellen und deren Benennungsprozess;
  • engmaschige Kontrollen der Benannten Stellen;
  • Konkretisierung der Vorgaben, nach denen Benannte Stellen bei den Herstellern die Konformitätsbewertungsverfahren durchführen;
  • Verbesserung der Kontrollen von Herstellern und deren Produkten nach dem Marktzugang (einschließlich unangekündigter Stichproben);
  • die im September 2013 als Maßnahme des sog. Joint Action Plan von der Europäischen Kommission beschlossene Durchführungsverordnung zu den Benannten Stellen, die einen Hauptkritikpunkt am bestehenden Medizinproduktesystem aufgreift, ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung und zeigt bereits erste Erfolge;
  • Entwicklung und einheitliche Anwendung von spezifischen Produktanforderungen, insbesondere auch hinsichtlich klinischer Bewertungen und Prüfungen;
  • verstärkte Koordinierung und Qualitätssicherung der Marktüberwachung.

Die Antwort der Bundesregierung im Wortlaut

So lange die „Benannten Stellen“ für die Zulassung von Medizinprodukten zuständig sind, werden keine Verbesserungen bei der Sicherheit von Medizinprodukten erreicht werden können. Zahlreiche Beispiele belegen das Versagen der Benannten Stellen und deren einseitige Ausrichtung auf die Interessen ihrer Geldgeber, den Herstellern.

 

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