Primarius Dr. Josef Hochreiter verkennt die Gefahr für DePuy Hüftpatienten

Primarius (österreichisch für Chefarzt) Dr. Josef Hochreiter, Präsident der österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, beschwichtigt. Nur ca. 1,5% der Hüftprothesen seien in Österreich vom Rückruf der ASR-Hüftprothesen der Firma DePuy betroffen. Zwar räumt er Irritationen wegen der „abriebbedingten schlechten Prothese“ ein. Doch für ihn kein Grund zur Sorge. Denn bei 18.000 Hüftprothesen pro Jahr beträfe dies ja nur ca. 270 Patienten, vor allem im Vorarlberg. Probleme gäbe es in Deutschland mit seinen über 5.500 Betroffenen. Fehlerhafte Medizinprodukte also kein Problem für den Primarius solange es gelingt, die Zahlen herunterzurechnen.

Hochreiter: „Wir haben allerdings in Österreich kein wirklich veritables Problem“.

In der Tat erscheinen die absoluten Zahlen gering. Doch bei 270 Menschen, denen durch eine fehlerhafte Hüftprothese Schmerz und Leid zugefügt, deren Gesundheit zerstört wurde, darf nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Und Verharmlosungen wie die des Präsidenten der österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sind unverantwortlich angesichts vieler fehlerhafter Medizinprodukte, die jährlich auf den Markt kommen.

Unabhängiges Endoprothesenregister gefordert

In Österreich wie in Deutschland wird seit Jahren ein unabhängiges Prothesenregister gefordert, welches alle Prothesenoperationen erfasst. Verbindlich müssten alle Protagonisten relevante Daten zur Verfügung stellen, die von einer neutralen Stelle erfasst, kontrolliert und ausgewertet werden.  So könnten Fehlerquoten frühzeitig erkannt und entsprechende Produkte rasch vom Markt genommen werden. Viel Leid bei Patienten könnte so verhindert werden. Länder wie Australien, Großbritannien oder die Skandinavischen Länder zeigen wie es geht.

Endoprothesenregister Deutschland ist eine Mogelpackung

Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) wird als großer Schritt für mehr Patientensicherheit angepriesen. Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich auch das EPRD wie schon so oft bei grossmundig angekündigten Verbesserungen der Patientensicherheit als Mogelpackung. Bezahlt und dominiert von den Medizinprodukteherstellern sind die einzigen Nutznießer des EPRD die Hersteller. Patienten haben keinen Zugriff auf die jährlichen Auswertungen, die Auskunft geben sollen über Prothesen mit besonders hoher Versagensrate. Die Patienteninformationen des EPRD, die Patientenorientierung signalisieren sollen, sind eine Sammlung von Allgemeinplätzen ohne informatorischen Mehrwert.

Patientenninformationen des EPRD ohne Mehrwert

Präsentiert werden beispielsweise nichtssagende Untersuchungen zu Auswirkungen von Alter, Gewicht und Geschlecht auf künstliche Gelenke. Dass hohes  Gewicht , sportliche Aktivitäten bei bei Männern eine stärkere Krafteinwirkung auf eine Prothese bedeutet als bei Frauen wird niemanden überraschen.  Eine Unterscheidung der verschiedenen Prothesenmodelle und Hersteller erfolgt nicht. Für Patienten wichtige Informationen wie Versagensraten bestimmer Prothesenmodelle sucht man vergebens. Dafür werden die Patienten aufgefordert, dem EPRD ihre Zustimmung zur Verwendung ihrer Patientendaten zu gestatten.

Werbung in eigener Sache

Prof. Dr. Joachim Hassenpflug ist Direktor der Klinik für Orthopädie des Klinikum Schleswig Holstein der Universität Kiel und Geschäftsführer der EPRD gGmbH Endoprothesenregister Deutschlands. Er gehört gleichzeitig dem Gesamtvorstand der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) an.

„Das EPRD ist eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), des AOK-Bundesverbandes, des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) und des BQS Instituts für Qualität und Patientensicherheit (BQS-Institut). Als gemeinnützige GmbH und 100-prozentige Tochter der DGOOC ist das Endoprothesenregister Deutschland ausschließlich wissenschaftlichen Grundsätzen verpflichtet und garantiert die Unabhängigkeit und Neutralität der Auswertungen“ (Pressemitteilung des EPRD vom 28.06.2012).

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EPRD will Informationsmonopol

Um Patienten und Prothesen lückenlos zu erfassen wäre es sicherlich möglich, die Datensätze, die bei den Krankenkassen zu den einzelnen Patienten (Abrechungsdatensätze) vorliegen, auf den Barcode der Endoprothesen zu integrieren. Dagegen spricht sich die EPRD entschieden aus, weil dann die Krankenkassen alle Daten hätten und nicht die EPRD, so Prof. Hassenpflug. Er sagt weiter, dass „dann die Kassen eine Globalmacht über alles hätten. Ein Register, das auch die Patienteninteressen berücksichtigt, muss neutral sein. Kassen wie Hersteller haben eigene wirtschaftliche Interessen und sind deshalb als neutrale Stelle nicht geeignet.

Unklare Datenlage

Unklar ist wie belastbar die Datenlage beim EPRD ist. Das Konzept geht von einer freiwilligen Zulieferung von Krankenhäusern, Ärzten, Patienten, gesetzliche Krankenkassen und Herstellern aus. Da somit nicht klar ist, wer welche Daten tatsächlich liefert und in welchem Umfang, sind die Ergebnisse unbrauchbar. Außerdem haben die privaten Krankenversicherer erklärt, sich am EPRD nicht zu beteiligen. Sie fürchten erheblichen Mehraufwand bei der Sammlung und Aufbereitung der Daten.  Die Auswertungen stellt das ERPD einmal im Jahr auch nur den Herstellern zur Verfügung. Bleibt die Frage, was diese mait anfangen wollen.

Zustimmung der Kassenpatienten erforderlich

Da Daten nur von Kassenpatienten und von diesen nur nach deren schriftlichen Zustimmung verwendet werden dürfen, diese jedoch keinen Zugriff auf die jährlichen Auswertungen haben, wird sich die Bereitschaft von Betroffenen in Grenzen halten. Fehlerhafte Produkte werden wegen der unsicheren Datenlage wahrscheinlich nicht identifizierbar werden. Zusätzlich ist fraglich, ob Hersteller tatsächlich ihre „Problemfälle“ an das EPRD melden. Denn Hersteller neigen nicht dazu, ihre Fehler öffentlich zu machen. Auch nicht und vielleicht gerade gegenüber Mitbewerbern.